Mittwoch, 3. Oktober 2012

die erlösende Tat


Herr Dr. Ernst Albrecht, damals Niedersachsens Ministerpräsident. beschloss im November 1978. zunächst 1.000 Flüchtlinge, die im Meer herumirrten, weil niemand in Südostasien bereit war, aufzunehmen. Mit dieser "sehr persönlichen Entscheidung, so Albrecht, löste er eine beispiellose Welle der Hilfsbereitschaft aus, die auch das Ausland erreichte. Im Juli 1979 fand eine internationale Flüchtlingskonferenz in Genf unter Leitung des Hochkommissariats für Flüchtlinge der UNO (UNHCR = United Nations High Commissary for Refugees) statt, die u. a. die Industrienationen aufforderte, mehr Flüchtlinge aufzunehmen.

Der Retter der "Verdammten der Meere", wie man die Boat People aus Vietnam, nannte, ist schwer erkrankt. Er leidet u. a. unter Demenz.

Die vietnamesischen Flüchtlinge und ihre Nachkommen wollen Dr. Albrecht, den Vater der Ministerin Ursula von der Leye, demnächst besuchen, um ihm den Dank für seine historische Tat auszusprechen.

Thanh Nguyen-Brem

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DER SPIEGEL 49/1978

Erlösende Tat

Niedersachsens Ministerpräsident Albrecht holt -- eine "sehr persönliche Entscheidung" -- vietnamesische Flüchtlinge ins Land.

Die Malaise in Malaysia wurde nur am Rande erwähnt, als die Experten der Arbeitsgemeinschaft der Landesflüchtlingsverwaltungen, zuständig für Aussiedler und Zuwanderer in der Bundesrepublik, Anfang vorletzter Woche in Bonn zusammensassen. Über die Frage, ob man denn nun auch für die Vietnamesen, die ihr Land in Strömen verlassen, etwas tun könnte oder sollte, kamen sie nicht hinaus.

Auch die Niedersachsen, die mit am Tisch saßen, blieben reserviert: Mit 850 Insassen in ihrem Durchgangslager Friedland, zumeist Aussiedler aus Polen, und 3992 politischen Flüchtlingen, sogenannten Asylbewerbern, im Land sei man, so ließen die Herren aus Hannover wissen, hinreichend belastet.

Doch 48 Stunden später, am Tag nach Bußtag, entschied Ernst Albrecht, Niedersachsens Ministerpräsident, anders. Per Telephonat aus seinem Dorf Beinhorn bei Hannover ließ er den Staatssekretär Dieter Haaßengier vom niedersächsischen Ministerium für Bundesangelegenheiten, der gerade in Bonn zu tun hatte, wissen: "Niedersachsen ist bereit, tausend südvietnamesische Flüchtlinge aufzunehmen."

Die "sehr persönliche Entscheidung" (Albrecht) war im Familienhalbkreis vor dem Fernseher zustande gekommen und von derselben politischen Philosophie gekennzeichnet, mit der die Albrecht-Familie schon verschiedentlich gute Taten getan hat, beispielsweise durch Plattengesang ("Wohlauf in Gottes schöne Welt") für eine Stiftung "Familie in Not".

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